Keine Angst vor Grün! Die Farbe, die viele seiner Kollegen als heikel empfinden, regiert die Leinwände von Klaus Steudtner. Von den zwei Dutzend Bildern, die der Kölner Maler derzeit in der dritten offiziellen Ausstellung der Darmstädter Galerie Haasch zeigt, knüpfen die meisten ans alte Thema der Badenden an, das mindestens bis zu Cranach zurückreicht. Doch bleibt, mit den beiden Versionen von ,,Nymphe“, der nackte Mensch inmitten paradiesisch unberührter Natur bei ihm die Ausnahme: Einlass zu Steudtners Eden gibt’s eben nur gegen Eintritt.
Denn Schauplatz der Bilder ist das öffentliche Freibad, und genaugenommen interessiert das Treiben im Wasser den Maler weit weniger als das auf der Liegewiese. Sonnenbadende sind es, die er wie ihre Umgebung in Flächen und Flecken dünnflüssiger Farbe überträgt, ein Akt der Zusammenfassung, bei dem Feinheiten wie Finger oder Grashalme über die Klinge springen. Was aus der Entfernung plakativ wirken mag, offenbart dabei von Nahem feine koloristische Nuancen. In welch zauberisch dichter Licht-Schatten-Atmosphäre das gipfeln kann, führen ,,Urweltbad“ und ,,Urweltbad, Dellbrück“ aus dem laufenden Jahr vor.
Auf diesen Bildern kontrastiert Steudtner seine waagrecht hingeräkelten Müßiggänger mit den Senkrechten schlanker Kiefernstämme; unter deren Nadelwolken tragen die Freibadgäste statt des erwarteten hellen Hauttons Umbra. Anderswo sind es Badehosen und -anzüge, Handtücher, Schwimmreifen, Gummibälle, Sonnenschirme, Picknickutensilien, die bunt aufleuchten im Grün, das sich hier mehr ins Gelb, dort mehr ins Blau öffnet.
Kunstgeschichtlich ist Klaus Steudtners malerischer Vortrag, der etwas an Edward Hopper erinnert, nicht revolutionär. Das gilt auch für die Großformate wie ,,Muttertag“ und ,,Nackenkuss“, entstanden nach Standfotos aus alten Heimatfilmen. Trotzdem atmet bei ihm alles Aktualität. Der Betrachter vergisst nie, dass hier weder nostalgische noch utopische Visionen ausgebreitet werden. Er erlebt ein zivilisatorisch gezähmtes, gesittetes Paradies mit festen Öffnungszeiten, in dem sich keine mythischen Szenen abspielen, sondern die feiertägliche Naherholung von Durchschnittsbürgern, die tags darauf wieder am Schreibtisch sitzen oder an der Fertigungsstraße stehen. Es ist standardisiertes, anonymes Freizeitverhalten. Zur Deckung gelangen Bildstil und -aussage in den blank belassenen Gesichtern der Figuren: Flächen, auf die jeder von uns die eigenen Züge projizieren kann.
Dr. Roland Held