Ein Kirchturm mit typisch bayerischer Zwiebelspitze, ragt aus einer idyllischen Landschaft. Das satte Grün sanfter Berghänge leuchtet im Sonnenlicht. In einem Wirtsgarten laden ein Tisch und rustikale Stühle zur Brotzeit ein: Es sind solche biedermeierlichen Motive, die der Maler Klaus Steudtner unter der Überschrift „Heimatbild“ in der Frankfurter Galerie Wagner+Marks zeigt. Auch die Malweise – Öl alla prima auf Leinwand- ist unspektakulär. Sie ist weder besonders heftig, noch akribisch.
Dennoch gibt es Abweichungen, die diese Bilder von herkömmlichen malerischen Huldigungen der freien Natur und des einfachen Lebens unterscheiden. Es sind meist punktuelle Störungen des gefälligen Gesamteindrucks. Etwa wenn Gesichter von Personen als leere Scheiben dargestellt werden, oder einzelne Partien der Bilder im Unterschied zur räumlich wiedergegebenen Umgebung als zweidimensionale Flächen erscheinen. Diese abrupten Unterbrechungen der gemütvollen Naturschilderungen machen deutlich, dass es sich bei diesen Bildern trotz des betulich daherkommenden Ausstellungstitels nicht um folkloristische Heimatkunst handelt.
Tatsächlich gewinnt der Künstler seine Anregungen nicht im Wald und Flur, sondern häufig zu Hause vor dem Fernseher. Dort hält er Szenen zum Beispiel aus Heimatfilmen der 50er-Jahre mit dem Fotoapparat fest. Diese Schnappschüsse oder auch auf Reisen entstandene Fotos bearbeitete er am Computer, ehe er sie als Vorlagen für seine Bilder verwendet.
Es geht ihm also also nicht um dokumentarische Wiedergabe visueller Eindrücke im Sinne einer realistischen Kunstauffassung. Vielmehr dienen die als Ausgangsmaterial verwendeten, bereits durch die technische Bearbeitung subjektiv veränderten Abbilder der äußeren Welt als Projektionsflächen für die inneren Bilder des Malers. Seine Erinnerungen an Erlebtes und Gesehenes werden aktiviert und fließen gedanklich in die bildnerische Arbeit ein.
Mit dieser Methode der indirekten Annäherung an die äußere Realität ist Steudtner im Einklang mit den aktuellen Trends der Erinnerungs- und Gedächtniskultur, von dem auch die Bildende Kunst erfasst wurde. Nach Jahren allgemeiner Abstinenz von Pinsel und Farbe ist die wiederentdeckte gegenständliche Malerei en vogue.
Aber sie ist selten Ergebnis direkter Auseinandersetzung mit dem Gesehenen. Die Erscheinungen der sichtbaren Welt gewinnen für die Künstler meist erst im Spiegel der eigenen Erinnerung und versehen mit dem Siegel eigener Befindlichkeit an Bedeutung. Klaus Steudtners assoziative Bildschöpfungen sind hierfür anschauliche Belege.
Punktuelle Störung
Klaus Steudtners „Heimatbilder“
von Nikolaus Jungwirth