Alltag in sanfter Expression

Das Selbstverständliche ist in aller Regel kein Gegenstand unserer genauen Betrachtung. Vielleicht aus Unachtsamkeit,Hektik oder Desinteresse. Ganz anders sieht es aus, wenn uns die gewöhnlichen Alltagsumgebungen in gemalten Bildern vor Augen treten. 
Etwa so, wie es die künstlerische Spezialität von Klaus Steudtner ist, der seine Gemälde im Atrium des Bezirks Rathauses Kalk präsentiert. Mit kraftvollen Farben, die eine Spur mehr leuchten als die Farben unserer tatsächlichen Lebens Umgebung. Und mit leichten Abstraktionen, und die Menschen bisweilen als gesichtslose Silhouetten erscheinen lassen, gerade so, wie sie auf der Straße häufiger an uns vorbei huschen oder wir an ihnen. Alles, was unseren Alltag ausmacht, kann bei Steudtner zu einem Bildmotiv werden. Der Autostau in einer Fahrbahnrichtung auf der Landstraße, konfrontiert mit Wiesenromantik ringsum der Dschungel aus Verkehrsschildern in einer Großstadtgegend. Die Paare auf dem Weg zum Schützenumzug. Oder die Menschen die sich auf einem Markt die Warenangebote ansehen. 
So wie die Gemälde unmittelbar aus dem Alltag hervorgehen, führen sie über ihn hinaus. Und damit verbunden ist die Erkenntnis, dass der Maler die Figuren, Räume und Dinge malt, die ihn mitten in der Gewöhnlichkeit aller Tage besonders berühren. Weil sie in seine Träume oder zum unbewussten Erinnerungen führen oder weil er sich einfach Momente der Langsamkeit und damit geschassten Aufmerksamkeit gönnt. Betrachtet man die Vielfalt der Motive, kommt man zu dem Schluss, dass einen Menschen grundsätzlich alles berühren kann. Die Bewegung von Gräsern im Wind. Die Dächer von Häusern Vermögen aus gesehen. Das schimmern der Sträucher Länder Sommersonne. Die Frau die mit einem Lächeln spazieren geht. Die Wellenbewegungen auf einer Wasserfläche. Die Biegung von Ästen in dem blattlosen Bäumen. Und das Mädchen das mitten auf der Straße stehen bleibt, weil es am Boden etwas entdeckt hat.
Steudtner malt alle diese Szenen in unterschiedlichen Formen des malerischen Realismus. Aspekte sanfter Expression und Aspekte verhalten surreale Abstraktion als gelegentliche Zuspitzungen. Mal zieht er harte Konturen, anderer Male schafft er gleitende farbige Übergänge. Neben Bildern flächiger Vereinfachung stehen detailgenaue Studien, in denen Steudtner kleinste Kleinigkeiten erfasst. Der Künstler, der freien Malerei an den Kölner Fachhochschule am Ubierring, nutzt die Ausstellung um seinen künstlerischen Werdegang der vergangenen 25 Jahre zu dokumentieren. Die Vielfalt der malerischen Perspektiven liegt die Erfahrung zugrunde, dass wir die Welt in unterschiedlichen Seenverfassungen Stimmungen ganz verschieden wahrnehmen (können). Die realistisch praktische Nüchternheit beim Blick auf die Welt und unseren Alltag ist nur eine mögliche Perspektive, auch wenn sie für viele Menschen als eine nahezu ausschließliche erscheint. Der Künstler Steudtner zeigt, wie die Welt in verträumter melancholischer oder phantastische Perspektive aussieht. Der scheinbar gewöhnliche Alltag erweist sich voller Geheimnisse. So erscheint der Perspektivwechsel als Möglichkeit zur Bereicherung unserer Lebenserfahrung.

Jürgen Kisters